Geschichtliche Entwicklung

Wie bei vielen Rassen geben Ursprung, Geschichte und Name der Kartäuserkatze Anlass zu zahlreichen Spekulationen.

Es ist hauptsächlich ihr Name, der die Fantasie anregte, und es hat sich vor allem die Legende erhalten, nach der die Mönche des Kartäuserordens diese Rasse nach Frankreich eingeführt hätten.

Tatsächlich scheint diese einheitlich blaugraue Katze aus den Gebirgsgegenden des Mittleren Orients zu stammen. Ihr dichtes und leicht wolliges Fell schützte sie dort vor der Kälte. Sie wurde nach Europa und vorwiegend nach Frankreich importiert, dank der Handelsbewegungen, die, in Folge der Kreuzzüge, mit dem Vorderen Orient entstanden. Ihre Intelligenz, Widerstandsfähigkeit und ihr Pelz haben ihr erlaubt, sich ihren neuen Heimatorten anzupassen.

Die ersten Berichte über das Leben blaugrauer Katzen findet man in Frankreich im 16. Jahrhundert. Das erste und älteste Dokument, entstanden 1558, ist ein Gedicht des französischen Schriftstellers DU BELLAY (1522-1560) mit dem Titel "Französische Verse über den Tod einer kleinen Katze". Der Verfasser hat dieses Gedicht während eines Aufenthalts in Rom niedergeschrieben. Es beeindruckt nicht nur den Katzenliebhaber, sondern gibt in besonderem Maß Aufschluß über das Wesen, die charakterlichen Eigenschaften, Körperbau und Fellbeschaffenheit und Fellfarbe einer damals in Frankreich lebenden graublauen Katzenrasse:

geschichtliche Entwicklung

Syrische Katze, beschrieben von Aldrovandi im 16. Jahrhundert. Diese Katze ist wahrscheinlich Vorfahre der Kartäuserkatze.

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"Es bricht mir fast das Herz, wenn ich davon spreche oder schreibe, es handelt sich um Bélaud, meine kleine graue Katze, Bélaud, die durch Fügung das schönste Werk war, das die Natur jemals in der Gattung der Katze hervorgebracht hat. Bélaud brachte den Ratten den Tod, Bélaud, deren Schönheit so groß war, daß sie unsterblich zu sein verdient. Bélaud also war zuerst nicht ganz und gar grau und nicht so, wie sie bekanntlich in Frankreich geboren werden, sondern so, wie sie in Rom aussehen. Bedeckt mit silbergrauem Pelz, kurzhaarig und glänzend wie Satin. Gewellt auf dem Rücken und weiß unten wie Hermelin. Kleine Schnauze, kleine Zähne. Augen, die keineswegs zu glühend waren, aber deren persische Pupille die verschiedenen Farben nachahmte, die man beim Regenbogen sieht, der sich im Himmel wölbt.
Der Kopf von ebenmäßigem Schnitt, der Hals rundlich, kurzes Ohr und darunter eine ebenholzfarbene Nase, eine kleine Schnauze wie bei einer Löwin, um die herum sich ein silbriges Bärtchen rankte, mit kurzem flaumigem Haar schmückend ihr damenhaftes Mäulchen. Beine schlank, kleine Pfote mehr wie ein zarter Fausthandschuh, wenn sie nicht das heraustreten ließ, womit sie kratzte.
Der Hals mollig und allerliebst, der Schwanz lang, wie der einer Meerkatze, verschieden gesprenkelt in buntscheckiger Beschaffenheit. Die Seiten hochgezogen, der Bauch breit,
gut hochgeschnürt unter seiner Last, und der Rücken, er war mittellang. Ein wirklicher Mäusefänger, wie es keinen besseren je gab, war Bélaud, kannte tausend Arten, sie in ihren Löchern zu überraschen, und dann mußten sie mehr als eine Enge finden, um sich zu retten. Denn niemals war eine Ratte so schnell, daß sie sich in der Flucht vor Bélaud retten konnte."

Im weiteren Verlauf berichten französische Autoren, in verschiedenen Werken und Artikeln verstreut, über reinblaue Katzen. Im frühen 18. Jahrhundert taucht der Name "Kartäuserkatze" = Chat des Chartreux für die Katzen dieser Farbe erstmals auf, in dem Allgemeinen Lexikon für Handel, Naturwissenschaft und Kunsthandwerk, von SAVARRY DES BRUSLON, erschienen 1723. Es handelt sich um ein technisches Nachschlagewerk, das für Handeltreibende bestimmt war. Dort wird der Name "Kartäuser" = Chartreux wie folgt beschrieben: Im Volksmund nennt man so eine Art von Katze mit bläulichem Fell. Mit diesem Fell handeln die Kürschner. In demselben Lexikon bezeichnet SAVARRY DES BRUSLON eine sehr weiche, aus Spanien importierte graue Wolle als Pile des Chartreux. Aus dieser Wolle wurden Wollstoffe von hoher Qualität angefertigt. Die Pariser Bevölkerung gab zu dieser Zeit der blauen Katze den Namen Chat des Chartreux, offenbar weil ihre Fellfarbe genauso graublau und die Beschaffenheit ihres Pelzes ebenso fest und wollig weich war, wie die der spanischen Textilwolle.
1735 teilte der schwedische Naturwissenschaftler LINNE, Erfinder der Pflanzen- und Tierklassifizierungen, in seinem lateinischen Werk "Systema Naturae" der Katze die Beschreibung und Farbbezeichnung Coeruleus pilis =dunkelblau mit sehr kurzem Haar, zu.

In einer 1793 erschienenen Übersetzung der "Systema Naturae" durch VANDERSTEGEN DE PUTTE, einem ehemaligen Schöffen der Stadt Brüssel, wird die Kartäuser als "catus coeruleus" mit blaugrauem Pelz beschrieben.In der Großen Enzyklopädie von 1753 findet man folgende Definition für Chartreux: Im Allgemeinen Tierfachlexikon, erschienen 1759, wird beschrieben: "In Paris nennt man Kartäuser diejenigen Katzen, die einheitlich grau sind."

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Chartreux : Eine Katze mit aschgrauer bis aschblauer Fellfarbe. Mit diesem Fell betrieben die Kürschner Handel und es wurde im Pelzhandwerk verarbeitet

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Zu dieser Zeit wurde der graublauen Katze eine größere Bedeutung beigemessen als der Europäischen Hauskatze oder der Angorakatze. Sie diente der Fleischproduktion. Für die Zubereitung gab es überlieferte Rezepte (Naturgeschichte von LINNE, Ausgabe 1750 von HOUTTUYN). Der feste, dichte Pelz wurde getrimmt, gefärbt und als Otterpelz-Imitat, genannt "le petit gris" = der kleine Graue, verkauft. Im alten Chartreux- Rassestandard findet man die Beschreibung "fischotterartiges Fell" für die Beschaffenheit der Fellqualität unserer Kartäuserkatzen. Dies in Anlehnung an die ehemalige Verwendung als Pelznutztier.

1756 beschreibt BUFFON, der große Naturwissenschaftler des 18. Jahrhunderts, der auch viele bekannte Tier- und Pflanzenzeichnungen angefertigt hat, die Kartäuserkatze als eine Katzenrasse, die sich deutlich abgrenzt von der Europäischen Hauskatze und der Angorakatze. Seine Beschreibung ist lang und sehr ausführlich. Das Werk umfasst erstmals Abbildungen der Kartäuser. Die Zeichnungen zeigen Vergleiche mit anderen Katzenrassen, und stellen sie als ein etwas kürzeres Tier als die Hauskatze dar, den Kopf mit gerader Nase und ohne Stopp, mit einem etwas längeren Fell als dem der Hauskatze, und wollener Qualität. Der Schwanz ist gerade und am Ende spitz zulaufend.

LINNE ordnet die Kartäuserkatze erstmals als eine gesonderte Katzenrasse unter den damals 6 bekannten Rassen ein:

Wildkatze - catus ferus

Hauskatze - catus domesticus

Angorakatze - catus angorensis (langhaarig, silbern, weich, sehr lang am Hals)

Spanische Katze - catus hispanicus (schwarz, weiß und orange)

Kartäuserkatze - catus coeruleus (graublauer Pelz)

Rote Katze - catus ruber (roter Streifen auf dem Rücken , vom Kopf her beginnend)

Diesen ausführlichen Werken folgten zahlreiche weitere Kartäuser-Rassebeschreibungen in den verschiedensten naturwissenschaftlichen Artikeln. Das Tier festigte seine Existenz in Frankreich und wurde bedeutender Handelsfaktor des damaligen Pelzhandwerks. Dr. BEAUREGARD schrieb 1896 in seinem Buch Nos Bêtes (Unsere Tiere) : Der Pelz der Kartäuserkatze wurde als "Kleiner Grauer" verkauft. Zur Hälfte rasiert und gefärbt wurde er als Otterpelz getragen.
Erfreulicherweise interessierte man sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus weniger nutzbringenden Gründen für diese Katze, und man begann die systematische Zucht der Kartäuser als Haus- und Gesellschaftstier.

Die französische Schriftstellerin COLETTE besaß mehrere Kartäuserkatzen und ernannte SAHA, eine ihrer Katzen, zur Heldin ihres Buches "La Chatte". In diesem widmete sie ihr einige liebvolle und ausführliche Beschreibungen: "Die Sonne spielte auf dem Pelz der Kartäuserkatze, malvenfarbig und bläulich wie die Kehle der Ringeltauben." Im Jahr 1930 begannen die Schwestern LÉGER auf der bretonischen Insel Belle-Ile-en-Mer ,Morbihan, in Frankeich, erstmals eine selektive Zucht der dort in Kolonien frei lebenden Katzen, welche verblüffender Weise alle ein graublaues Fell und gelbe Augen hatten.

Nach erfolgreicher Verpaarung der schönsten Exemplare stellte sich heraus, daß sich die blaue Farbe und die wesentlichen Merkmale des Typs immer wiederholten. Mit ihrem Zuchtnamen De Guerveur haben die beiden Schwestern den Grundstein für die heutige Kartäuserzucht gesetzt. Die Katze Mignonne, die aus dem ersten Wurf frei lebender Katzen hervorging, erhielt 1931 auf der Katzenausstellung in Paris den Titel "Schönste Kartäuserkatze der Welt" und ist als Stammmutter unserer heutigen Zucht anzusehen. Ihre typvollen Qualitäten sind Maßstab der Rasse.

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In den Jahren 1965/77 begann man mit Kreuzungen zwischen der Kartäuser Katze und der Britisch Kurzhaar Katze, die wiederum durch wiederholte Kreuzungen zwischen der Europäisch Kurzhaar Katze verschiedener Farbschläge und der blauen Perserkatze entstanden ist. Nach großen und eindringlichen Protesten französischer Züchter hat man die Vermischung beider Rassen gestoppt. Seit 1974 gelten für beide Rassen wieder eigene Normen, und seitdem ist die Kreuzung zwischen Kartäuser und Britisch Kurzhaar Katzen im Interesse beider Rassen unzulässig.

Dank des unermüdlichen Einsatzes des Herrn Jean SIMONNET und seiner Frau Colette hat sich die Kartäuserzucht in Frankreich, in ganz Europa, in der Schweiz, Italien, Spanien , Portugal, Deutschland, Österreich, Ungarn, Kroatien, Finnland, in den USA und sogar in Japan entwickelt. Trotz der Vielzahl der Linien sind immer wieder die konstanten Rassemerkmale der Ausgangszucht der Schwestern LÉGER von Belle-Ile en Mer wieder zu erkennen.
Diese imponierende und doch anmutige Katzenrasse gewinnt immer wieder und immer mehr das Herz der Katzenfreunde.